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MorphOS v0.4 - The Future is Now!

Dieser Bericht wurde in der AMIGAplus 05/2001 veröffentlicht und von Torsten Dudai verfasst. © 2001 falkemedia

MorphOSGanz still und leise werkeln Amiga-Profis an einem neuen System, einer möglichen Zukunft für die Amiga-Plattform. Nein, die Rede ist hier nicht vom AmigaDE, sondern von MorphOS und seinen Erschaffern, Ralph Schmidt, Frank Mariak und einem Programmierer-Team, das etwas Einmaliges geschaffen hat: Eine echte Alternative zum AmigaOS mit voller Abwärtskompatibilität und großem Potential. Was wir uns vom AmigaOS 4.0 morgen erhoffen, ist damit bereits heute teilweise Realität. Wir haben uns das neue System genauer angeschaut.

Hintergründiges

MorphOS besteht hauptsächlich aus vier ROM-Modulen, den angepassten Libraries, Datatypes und Treibern und dem StartUp-Programm, zusammen nicht einmal zwei MByte groß. Zusätzlich befinden sich im User-Archiv eine grafische Oberfläche, um das Startscript zu konfigurieren, Doc-Dateien und Anmerkungen. Wenn Sie sich jetzt vielleicht etwas ungläubig die Augen reiben, wie mit so wenig Ressourcen ein komplett neues System auf die Beine gestellt werden kann, dann tun Sie dies völlig zu Recht, denn MorphOS ist noch gar kein vollständiges System, sondern nur eine Umgebung, die PowerPC-Tasks und 68k-Tasks auf dem PowerPC-Prozessor ausführen kann. Als Betriebssystem, das auf MorphOS aufsetzt, wird noch das klassische AmigaOS verwendet.

Wie geht das?

Die Basis bildet der HAL (»Hardware Abstraction Layer«), der die Hardware (Zorro-/PCI-Karten, Amiga-Hardware) scannt und dem Kernel zur Verfügung stellt. Der Quark-Kernel (Name v.d. Red. nicht geändert!) setzt darauf auf und erlaubt die Ausführung von Amiga-Programmen und dem AmigaOS in einer geschlossenen »Box«, die ohne die Customchips auskommt. Damit kann MorphOS auch leichter auf andere Plattformen und CPUs portiert werden.

In der Box ist es möglich, 68k-, WarpOS-, PowerUp- und native MorphOS-Applikationen als eigene Tasks im Multitasking auszuführen. So läuft das AmigaOS in einem »Mixed Mode«, der einen problemlosen Wechsel von 68k- auf PPC-Code ermöglicht. Alle Teile des AmigaOS können ganz einfach durch PowerPC-Versionen ersetzt werden. Man kann sagen, daß uns damit bereits ein PowerPC-AmigaOS zur Verfügung steht, das nur noch nicht vollständig native ist.

Die Zukunft

Der Quark-Kernel ist noch nicht fertig. Viele Fähigkeiten, wie zum Beispiel Speicherschutz oder Multiprozessor-Unterstützung, werden noch integriert. Das Ziel, das die Programmierer von MorphOS verfolgen, ist das Angebot eines neuen, sauberen Betriebssystems, das eine elegante und moderne API bereitstellt. Wenn MorphOS fertig ist, wird eine kommerzielle Version erscheinen. Die aktuelle Version ist eine öffentlich Beta-Demo mit einem Zeitlimit von zwei Stunden. Ist die Zeit abgelaufen, erscheint eine Meldung, dass das System in einer Minute auf A500-Geschwindigkeit heruntergeschaltet wird.

BackUp durchführen

Der Amiga-Minister warnt: Wenn Sie ein neues System installieren oder am bestehenden System tiefgreifende Änderungen vornehmen, sollten Sie immer vorher ein BackUp erstellen. Diese Warnung gilt auch für MorphOS. Im Test hat sich das BackUp zwar zu keinem Zeitpunkt als notwendig erwiesen, aber weder wir noch die Autoren von MorphOS übernehmen irgendwelche Verantwortung für Datenverluste oder Schäden am Rechner, die durch die Nutzung von MorphOS entstehen könnten.

Installation

Die Installation gestaltet sich deutlich einfacher als erwartet. Entpacken Sie das 1.5 MByte große User-Archiv an eine beliebige Stelle, und installieren Sie es von dort aus mit dem Install-Script. Jetzt müssen die MorphOS-Versionen der CGX-Treiber, die Datatypes und die Libraries in die entsprechenden System-Verzeichnisse kopiert werden. Da alle Binaries die Endung ».elf« haben, wird hierbei nichts überschrieben. Wir empfehlen, statt des mitgelieferten JPEG-Datatypes den aktuellen Datatype »WarpJPEG« aus dem AmiNet zu verwenden.

Als nächstes müssen alter Ballast und eventuelle Störenfriede von Bord, das heißt: Raus mit »MCP« und anderen Patches, den 680x0.libraries, dem »BPPCFix« (falls vorhanden), der »powerpc.library« (die emuliert und daher nicht benötigt wird), der PowerUp-Emulation »ppc.library« von Frank Wille (die nicht benötigt wird, aber auch nicht stört; PowerUp-Software läuft ebenfalls unter MorphOS). Sie sollten auch in Betracht ziehen, systemfreundliche Erweiterungen zunächst aus der »WBstartup«-Schublade und der StartUp-Sequence herauszunehmen, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Mit anderen Worten: Starten Sie MorphOS zuerst nur mit der »nackten« Workbench. Später können Sie immer noch testen, welche Software weiterhin ihren Dienst verrichtet. BlizzardPPC-Besitzer müssen auch gegebenenfalls ein Flash-Update durchführen, da MorphOS mindestens die Version 46.2 der 68040/060.library für den Start braucht. Sie finden die alten phase5-Archive auf der Homepage von DCE Computer (http://www.dcecom.de).

CyberGraphX

Jetzt müssen noch einige Zeilen in die StartUp-Sequence eingefügt werden, um die speziellen MorphOS-Versionen der CGX-Treiber zu aktivieren. Sie finden die nötigen Angaben und weitere Ergänzungen in der Datei »Docs_User/InstallMe.txt«. Falls Sie noch keine OS3.9-Notdiskette erstellt haben, ist nun der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. Wenn Sie beim Editieren der StartUp-Sequence Fehler machen, kann schlimmstenfalls überhaupt kein Bild mehr angezeigt werden. Halten Sie also immer die Notdiskette und die AmigaOS-CD bereit.

Butterfly

Der letzte Schritt vor dem langersehnten Start ist die »Butterfly«-Konfiguration, der StartGUI für MorphOS. Um Probleme mit der Soundausgabe zu vermeiden, sollten Sie die Option »DisableLED« aktivieren. MorphOS benutzt die PowerLED, um den Betriebszustand anzuzeigen. Die LED flackert in diesem Fall leicht. Gleichzeitig verursacht dies aber auch Probleme in der Soundausgabe.

Desweiteren bremsen die Log und Debug-Funktionen den Rechner aus - hier sollte auch nichts aktiviert sein: Die Option »Debug« deaktivieren und in der Karteikarte »Debug« - »EDebug« die beiden Optionen »NoLogServer« und »NoLogWindow« aktivieren.

In der Karteikarte »Erweiterungen« können Sie das OS3.9-ROM-Update laden, damit das ROM beim Booten nicht noch einmal geladen werden muss. Die Originaldatei enthält Leerzeichen und wird deshalb von MorphOS-Starter nicht richtig erkannt. Legen Sie eine Kopie des ROM-Updates an, und ersetzen Sie die Leerzeichen durch Unterstriche.

Ready to take-off?

Gehen Sie am besten vor dem Start noch einmal die Checkliste durch:

  1. CGX-Treiber in »devs:monitors/« installiert?
  2. »cgxsystem.library.elf« installiert?
  3. StartUp-Sequence angepasst?
  4. Sonstige Libraries in »libs:« installiert?
  5. Patches deaktiviert?
  6. »68040/060.library« und »powerpc.library« entfernt?
  7. Datatypes installiert?
  8. Flash-Update V46.2+ installiert?)
  9. »BPPCFix«-Eintrag in der StartUp-Sequence entfernt (oder auskommentiert mit »;«)?

Wenn alles okay ist, zünden Sie die Triebwerke, oder klicken Sie einfach auf »Starten«. Jetzt müsste ein Fenster mit Copyright-Hinweisen erscheinen, und der Rechner müßte danach einen Reset durchführen. Danach bootet MorphOS, und der 68k-Prozessor wird vollkommen abgeschaltet. Falls die gewohnte Workbench erscheint, können Sie glücklich sein: Es hat geklappt! Sollte dies nicht der Fall sein, so versuchen Sie, wieder zurück in das normale AmigaOS zu kommen (durch Ausschalten oder erneutes Booten), und studieren Sie die FAQ (»Docs_User/Faq.txt«). Wenn Sie keine Antworten auf Ihre Probleme finden, melden Sie sich bei der englischsprachigen MorphOS-Mailingliste an (http://www.morphos.de/support.php3). Dort stehen Ihnen zahlreiche erfahrene User mit den unterschiedlichsten Systemkonfigurationen und die Autoren selbst zur Seite.

Kompatibilität

Jetzt beginnt das große Ausprobieren: Welches Programm funktioniert noch, und vor allem, wie schnell ist es? MorphOS bietet keine hunderprozentig echte Emulation der Amiga-Hardware wie UAE, das heißt, dass Demos und andere speziell optimierte, ältere Software mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht funktionieren wird. Alle modernen Programme und Spiele, insbesondere PPC-optimierte Software sollten jedoch reibungslos ihren Dienst verrichten. Wir haben uns einige Programme, Tools und Spiele vorgeknöpft und sie auf ihre Kompatibilität zur aktuellen MorphOS-Beta V0.4 getestet.

YAM 2.2: Da die Quelltexte seit einiger Zeit offen zugänglich sind, hat eine Portierung auf MorphOS nicht lange auf sich warten lassen. Der Port besteht aus dem ».elf«-Binary und einem Starter, der erkennt, unter welchem OS YAM gestartet wurde, und automatisch die richtige Version wählt. So können Sie YAM auch weiterhin mit dem AmigaOS nutzen. Die Geschwindigkeit der MorphOS-Version lässt sich nicht genau einschätzen, da YAM sehr von der Festplatte und dem Filesystem (hier: PFS3) abhängig ist.

MUI: Für MorphOS ist ein Beta-Release von »MUI«, dem »Magic User Interface«, vorhanden, die viele neue Fähigkeiten enthält. So können Sie à la X-Windows das Menü eines Programms direkt in das Programmfenster integrieren. PopUp-Menüs werden nun auch schattiert und mit 3D-Rändern angezeigt, außerdem kann der Fensterrahmen transparent gemacht werden. So kann ein Programm, wie zum Beispiel »Genesis«, scheinbar in den Hintergrund eingebaut werden. Die ».elf«-Versionen der MUI-libs existieren parallel zu den 68k-Versionen und stören sich gegenseitig nicht.

MagicMenu: Die beliebte Menü-Verschönerung verhält sich leider nicht so flexibel wie YAM oder MUI. Sie installieren entweder die ».elf«-Variante oder die normale 68k-Version. MorphOS kommt mit beiden klar, das AmigaOS nur mit letzterem. Zusammen mit der neuesten »cgxsystem.library« bietet MagicMenu für MorphOS jedoch etwas ganz Besonderes: Die sonst eher langsamen, transparenten Menüs sind jetzt atemberaubend schnell!

AHI 5.5: Damit Sie auch mit MorphOS besten Sound genießen können, ist auch hier die Installation der angepassten MorphOS-Version der »AHI.device« notwendig. Und der kurze Download (rund 46 KByte) lohnt sich: Die verbesserten Mixing-Routinen bringen selbst aus der veralteten Paula noch erstaunliche Töne heraus, die sehr viel klarer und stärker sind als vorher. Zusammen mit AmigaAMP (und eingeschaltetem Equalizer) können Sie MP3s auch ohne Soundkarte in bester Qualität genießen!

Weitere Kompatible: Wir haben auch andere Programme auf ihre Kompatibilität zu MorphOS getestet. »IBrowse«, »AWeb«, »Directory Opus 5.8 Magellan«, »Cinema4D 4.0«, »Tornado3D 2.0«, »PageStream 3.3«, »AmigaAMP« und die beiden MPEG-Videoplayer »AMP« und »Frogger« liefen allesamt ohne größere Probleme, obwohl es hin und wieder zu kleinen Hängern kam, die sich jedoch nie wiederholen ließen und möglicherweise auch auf andere Komponenten zurückzuführen sind. Die meisten MUI-Programme sollten ohne Schwierigkeiten laufen. Bei »PageStream« war der Bildaufbau etwas langsam, und AmigaAMP zeigte nach längerer Laufzeit Ausfallerscheinungen beim Sound, ließ sich aber immer beenden und neu starten. Im Großen und Ganzen waren die Ergebnisse jedoch zufriedenstellend.

No Apus: Ganz unmöglich scheint leider das Starten von »LinuxPPC« mit »Bootstrap« zu sein. Der Rechner friert komplett ein, wenn Sie es trotzdem versuchen. Die Autoren räumen auch jede Möglichkeit aus, dass das Starten von Bootstrap möglich sein könnte, da das AmigaOS in einer eigenen, geschützten »Box« läuft und es dem User nicht gestattet ist, die Hardware von dort zu übernehmen. Linux kann also nach wie vor nur unter AmigaOS gestartet werden.

SelectOS V1.1: »SelectOS« ist eine kleine GUI, die in der User-Startup aufgerufen wird, um die Auswahl des Betriebssystems (AmigaOS, Linux, MorphOS) möglichst komfortabel zu gestalten. In der Version 1.1 ist ein Button für Morphos dazugekommen, der das Startscript-Script »startup« aufruft.

ArtEffect 4.0: Hier machten uns rechenintensive Filter Sorgen. Die normale Bedienung des Programms funkionierte wie gewohnt (wenn auch manchmal etwas träge), beispielsweise der Schärfe-Filter brauchte aber für seine Berechnungen fast doppelt so lange wie üblich.

Earth 2140: Der größte Amiga-Spiele-Hit derzeit, die Endzeit-Strategie »Earth 2140«, verträgt sich noch nicht mit der aktuellen MorphOS-Version 0.4, aber die Entwickler haben uns versichert, dass dies mit dem nächsten Release behoben werde - wir sind gespannt.

WipEout 2097: Der 3D-Renn-Hit läuft unter Morphos zu Hochtouren auf und kann seine ohnehin schon beeindruckende Geschwindigkeit noch einmal steigern. Die Magnetflieger gleiten nun fast ruckelfrei über die Piste, lediglich der Sound über AHI macht noch Schwierigkeiten. In den ersten Spielminuten funktioniert die Wiedergabe noch einwandfrei, aber nach einiger Zeit machen sich Echo-Effekte bemerkbar. Die normale Tonausgabe mit der niedrigeren Qualität funkioniert hingegen recht gut.

Heretic II: Die WarpOS-Emulation von Morphos wurde mit der Fähigkeit, nun auch »Heretic II« spielen zu können, beworben, und die Programmierer haben nicht zu viel versprochen. Das düstere Rollenspiel-Abenteuer läuft einwandfrei in Bild wie auch im Ton, und auch die Geschwindigkeit ist akzeptabel. Unser Testsystem (siehe AMIGAplus 07-08/2000, S.56ff) schaffte etwa 14 FPS bei einer Auflösung von 640 mal 480 Bildpunkten.

GLQuark: Kein umfassender Spieletest wäre komplett, ohne den absoluten Kultshooter »Quark« (Name v.d. Red. geändert) zu erwähnen, hier in der OpenGL-Version. Mit den normalen Einstellungen bleibt das Spiel allerdings schon beim Start hängen und macht ein Ausschalten des Rechners nötig. Ein Tip aus der MorphOS-Mailingliste half: Der Sound muss abgeschaltet werden (mit der Shell-Option »-nosound«). Jetzt konnten wir in einer Auflösung von 800 mal 600 Pixeln bei cirka 25 FPS die Zombies durch die Katakomben jagen.

MorphTris: Hierbei handelt es sich um einen einfachen MorphOS-Clone des Klassikers Tetris. Mit im Archiv ist auch eine AmigaOS-Version enthalten - die ideale Zeitverschwendung.

Fazit

Ein korrekt installiertes und konfiguriertes MorphOS können Sie auf den ersten Blick nicht vom AmigaOS unterscheiden. Die Emulation ist absolut perfekt und schnell. Beim normalen Arbeiten ist fast kein Geschwindigkeitsverlust bemerkbar. PowerPC-Programme (WarpOS und PowerUp) und Warp3D-Spiele erhalten sogar noch einen Geschwindigkeitsschub, da der störende Kontextswitch zwischen PPC und 68k entfällt. Das alles hat aber seinen Preis, der sich in einem hohen Speicherverbrauch bemerkbar macht. Von den 80 MByte RAM unseres Testsystems blieben nach fertig geladener Workbench unter MorphOS noch etwa 60 MByte übrig, im Gegensatz zu 75 MByte unter AmigaOS.

Außerdem fiel uns auf, daß manche Programmstarts um einen Augenblick verzögert waren, was aber wahrscheinlich mit dem Filesystem PFS3 zusammenhängt. PFS3 ist, dank seiner Optimierung auf die 68060-CPU, normalerweise sehr schnell, muss jetzt aber emuliert werden. Eine angepasste Version könnte hier vielleicht wahre Wunder bewirken.

Bedenkt man, dass es sich immer noch um eine 0.4-Betaversion handelt, ist der momentane Stand von MorphOS beeindruckend und lässt auf mehr hoffen. Mit der richtigen Hardware-Unterstützung, zum Beispiel ein G4, haben wir eine echte Chance, bald das schnellste AmigaOS aller Zeiten zu sehen!

Quelle: http://www.morphos.de

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